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Unterwegs kam sie an einem Erdhügel vorbei, streifte ihn
mit einem Blick und watete weiter. Wozu sich damit auf-
halten? Watend kam sie schneller voran. Ihr Ekel vor dem
kalten, verrotteten Gallert unter ihren Füßen war abgeklun-
gen. Wenn man mußte, konnte man sich an alles gewöhnen.
Das wußte sie jetzt.
Nicht lange nach ihrem ersten Sturz ins Wasser fing Trisha
an, sich mit Tom Gordon zu unterhalten. Anfangs kam ihr
das merkwürdig vor - sogar fast unheimlich -, aber in den
langen Stunden des Spätnachmittags streifte sie ihre Befan-
genheit ab, schwatzte munter drauflos, erzählte ihm, zu
welchem Markierungspunkt sie als nächstes unterwegs war,
erklärte ihm, dieses Sumpfgebiet sei vermutlich durch einen
Waldbrand entstanden, und versicherte ihm, sie würden
bald aus den Sümpfen herauskommen, die schließlich nicht
ewig weitergehen könnten. Sie erzählte ihm gerade, daß sie
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hoffe, die Red Sox würden heute mindestens zwanzig Runs
erzielen, damit er sich draußen in der Aufwärmzone einen
ruhigen Abend machen könne, als sie plötzlich abbrach.
»Hast du auch was gehört?« fragte sie.
Ob Tom etwas gehört hatte, wußte sie nicht, aber sie hatte
etwas gehört: das stetige Knattern von Hubschrauberroto-
ren. Fern, aber unverkennbar. Trisha hatte auf einem Erd-
hügel gerade eine kleine Rast eingelegt, als sie das Geräusch
hörte. Sie sprang auf, drehte sich mit einer über die Augen
gelegten Hand im Kreis und suchte mit zusammengeknif-
fenen Augen den Horizont ab. Sie sah nichts, und wenig
später verhallte das Geräusch.
»Spaghetti«, sagte sie zutiefst enttäuscht. Aber immerhin
suchte man nach ihr. Sie erschlug eine Mücke an ihrem Hals
und setzte sich wieder in Bewegung.
Zehn oder fünfzehn Minuten später stand sie in ihren
sich allmählich auflösenden und schmutzstarrenden Sok-
ken auf einer halb unter Wasser liegenden Baumwurzel und
sah neugierig und fragend nach vorn. Jenseits der sie
umgebenden unregelmäßigen Reihe abgeknickter Bäume
ging der Sumpf in einen seichten, stehenden Tümpel über.
Quer durch seine Mitte zogen sich weitere Erdhügel, die aber
nicht grün bewachsen, sondern braun waren und aus ab-
gerissenen Zweigen und abgenagten Ästen zu bestehen
schienen. Auf einigen von ihnen hockte etwa ein halbes
Dutzend dicker brauner Tiere, die aufmerksam zu ihr hin-
überstarrten.
Die Denkfalten auf Trishas Stirn glätteten sich langsam, als
ihr klar wurde, was für Tiere das waren. Sie vergaß darüber
völlig, daß sie im Sumpf war, daß sie naß und schlammig
und müde war, daß sie sich verirrt hatte.
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»Tom«, flüsterte sie ein bißchen atemlos. »Das sind Biber!
Biber, die auf Biberhäusern oder Bibertipis oder wie man
sie sonst nennt sitzen. Das sind welche, stimmt's?«
Sie stand auf Zehenspitzen, hielt sich an einem Baumstamm
fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und starrte
entzückt zu ihnen hinüber. Biber, die auf ihren Häusern aus
Ästen und Zweigen herumlungerten ... und sie dabei beob-
achteten? Das taten sie vermutlich, vor allem der in der
Mitte. Er war größer als die anderen, und Trisha hatte das
Gefühl, seine schwarzen Augen wandten sich keine Sekun-
de von ihrem Gesicht ab. Er schien einen Schnurrbart zu
haben, und sein glänzendes Fell war dunkelbraun, um sein
plumpes Hinterteil herum fast kastanienbraun. Bei seinem
Anblick mußte sie sofort an die Illustrationen in Der Wind
in den Weiden denken.
Schließlich trat Trisha von der Wurzel und watete weiter,
wobei sie ihren langen Schatten hinter sich herzuziehen
schien. Der Oberbiber (so nannte sie ihn für sich selbst)
stand sofort auf, wich zurück, bis sein Hinterteil im Was-
ser war, und schlug mit seinem breiten Schwanz kräftig
auf die Wasseroberfläche. Dieses Klatschen klang in der
stillen, heißen Luft unglaublich laut. Im nächsten Augen-
blick sprangen alle Biber von ihren Asthäusern und tauch-
ten kopfüber ins Wasser. Das war, als sehe man einem Team
von Synchron-Kunstspringern zu. Trisha beobachtete sie
mit vor ihrem Brustbein gefalteten Händen und einem
strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. Das war einer der
erstaunlichsten Anblicke ihres Lebens, und sie begriff, daß
sie niemals imstande sein würde, jemandem zu erklären,
weshalb das so war - oder daß der Oberbiber wie ein weiser
alter Schulmeister oder so ähnlich ausgesehen hatte.
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»Tom, sieh nur!« Sie streckte lachend eine Hand aus. »Siehst
du sie im Wasser? Da schwimmen sie! Yeah, Baby!«
In dem schlammigen Wasser bildeten sich ein halbes Dut-
zend Keile, als die Biber mit kleinen Bugwellen von ihren
Asthäusern wegschwammen. Dann waren sie fort, und
Trisha lief wieder los. Ihr nächster Markierungspunkt war
eine besonders große Schilfinsel, die mit dunkelgrünen
Farnen überwuchert war. Aus der Entfernung erinnerten sie
an wuscheliges Haar. Sie näherte sich der Insel nicht in
gerader Linie, sondern in einem seitlich ausholenden Bogen.
Die Biber zu sehen war großartig gewesen - total ghetto,
um mit Pepsi zu sprechen -, aber sie hatte keine Lust, mit
einem tauchenden Tier zusammenzustoßen. Sie hatte ge-
nügend Bilder gesehen, um zu wissen, daß selbst kleine
Biber große Zähne hatten. Eine Zeitlang schrie sie jedesmal
leise auf, wenn Unterwasserpflanzen ihre Beine streiften,
weil sie überzeugt war, das sei der Oberbiber (oder einer
seiner Schergen), der sie aus seinem Revier vertreiben
wollte.
Die Biberbaue stets rechts von sich lassend, näherte Trisha
sich der besonders großen Schilfinsel - und als sie näher
herankam, begann ein Gefühl hoffnungsvoller Erregung in
ihr zu wachsen. Diese dunkelgrünen Farne waren nicht [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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